Wo arbeite ich, wenn ich die Welt verbessern will? Für viele Menschen ist es sinnvoll, direkt an den drängendsten Problemen der Welt zu arbeiten – also in der Forschung, Politik, oder für besonders effektive Hilfsorganisationen.
Eine andere Möglichkeit an welche die wenigsten denken, kann ein gut bezahlten Job außerhalb dieser Sektoren sein. Diese Strategie nennt sich „Earning to Give“. Das Konzept: Ein relevanter Anteil des verdienten Einkommens geht an effektive Organisationen. Dafür muss man kein Top-Verdiener sein: Auch als Lehrer:in und in vielen Ausbildungsberufen lässt sich mit dem gespendeten Einkommen unheimlich viel Gutes bewirken.
1. Direkt an Problemen arbeiten
Dieser Weg ist besonders dann zu empfehlen, wenn es nur wenige Altruist:innen gibt, die eine Tätigkeit so gut ausführen können wie du: beispielsweise wegen Deiner Persönlichkeit oder Deiner Fähigkeiten. In manchen Fällen ist es auch sinnvoll, eine neue effektive Hilfsorganisationen zu gründen, wenn es diese ohne Dich gar nicht gäbe. Doch Vorsicht: Prüfe erst gründlich, ob eine neue Organisation wirklich bedeutende Vorteile gegenüber den bestehenden hat.
Bei Direktarbeit denken viele Menschen zuerst an unabhängige NGOs (Non-governmental organizations / Nichtregierungsorganisationen). Doch auch in anderen Bereichen wie Wissenschaft, Politik oder Journalismus kannst Du viel bewirken. Der Vorteil ist hier, dass Du nicht mit Spendengeldern bezahlt wirst. So kann mit den vorhandenen Spendengeldern die Arbeit anderer Altruist:innen finanziert werden.
In einer NGO arbeiten
Hier empfehlen sich solche Organisationen, die sich in einem wichtigen Problembereich engagieren und die sich bemühen, ihre Wirkung mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden zu maximieren. Im Umfeld des Effektiven Altruismus gibt es verschiedenste Organisationen, die nach diesen Prinzipien arbeiten. Darüber hinaus gibt es Meta-Organisationen, die zum Beispiel die Idee des Effektiven Altruismus verbreiten oder Fundraising für andere effektive NGOs betreiben.
In der Wissenschaft arbeiten
In der Wissenschaft gibt es viele Fragen, die für den Effektiven Altruismus hoch relevant sind: zum Beispiel die nach den drängendsten Problemen der Welt. Aber auch innerhalb der Problembereiche sind noch Fragen offen: Mit welchen Maßnahmen können wir Menschen besonders gut dazu motivieren, sich tierfreundlicher zu ernähren? Wie verhindern wir am besten, dass eine künstliche Intelligenz großen Schaden anrichtet? Bei einer Karriere in der Wissenschaft ist zu bedenken, dass man sich nicht immer alle Forschungsthemen selbst aussuchen darf. Einen gewissen Einfluss gibt es allerdings in der Regel schon.
In der Politik arbeiten
Global drängende Probleme sind immer auch gesellschaftliche Fragen, die letztlich politisch entschieden werden. Mit einem Job in der Politik kannst Du Gesetze und Vorgaben beeinflussen, zum Beispiel zur Tierhaltung oder zur Regulierung von künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig entscheidet die Politik aber auch darüber, welche Forschung finanziert wird oder welche Organisationen eine staatliche Förderung erhalten. Wer hier dafür sorgt, dass vor allem drängende Probleme erforscht werden und dass vor allem effektive Organisationen gefördert werden, kann indirekt sehr viel Gutes erreichen.
Politische Beschlüsse werden nicht nur von Abgeordneten getroffen: In Ministerien und Behörden sind zahlreiche Fachexpert:innen und politische Berater:innen tätig. Zudem haben die Abgeordneten und Parlamentsfraktionen ihre eigenen Mitarbeiter:innen, die wichtige politische Entscheidungen vorbereiten und beeinflussen. Außerhalb des politischen Apparats gibt es zahlreiche Denkfabriken und Lobbygruppen, die beraten und dafür sorgen wollen, dass zu ihren Gunsten entschieden wird. In einer politischen Karriere befasst Du Dich also in der Regel mit zahlreichen politischen Fragen – und nicht nur mit den drängendsten Problemen. Dafür ist Deine positive Wirkung aber sehr groß, falls Du auf wichtige Entscheidungen bedeutenden Einfluss nehmen kannst.
Im Journalismus arbeiten
Mit einer Karriere im Journalismus hast Du die Möglichkeit die Politik sowie das Handeln vieler einzelner Menschen zu beeinflussen. So können reichweitenstarke Artikel, Videobeiträge oder Podcasts über ein besonders drängendes Problem die öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken und beispielsweise dazu führen, dass sich mehr Menschen in diesem Bereich engagieren oder politische Maßnahmen ergriffen werden. Auch wenn es darum geht, die Prinzipien des Effektiven Altruismus zu verbreiten und die Community zu stärken, können entsprechende Medienberichte sehr hilfreich sein.
Weitere Information zur effektiven Direktarbeit gibt es auf der Seite der Organisation 80,000 Hours, insbesondere zum Bereich existenzieller Risiken. Außerdem findest Du dort ein Job Board mit vielen aktuellen Ausschreibungen.
Die Organisation Animal Advocacy Careers informiert und berät Dich über hoch wirkungsvolle Berufswege im Tierschutz.
2. Earning to give: Teile Deinen Lohn
Liegt dein größtes Potential darin, direkt an Problemen zu arbeiten? Oder bewirkst Du am meisten, wenn Du einen Teil Deines Lohns an effektive Organisationen spendest? Hier spielt auch die Ersetzbarkeit eine Rolle: Was würde passieren, wenn Du Deinen Job nicht machst? In vielen NGOs würde vermutlich eine andere Person die Arbeit erledigen – vielleicht nicht ganz so gut, aber eventuell auch nicht viel schlechter. Verzichtest Du aber auf einen besser bezahlten Job in der Wirtschaft oder Verwaltung – und darauf, einen nennenswerten Teil Deines Lohns abzugeben – würde die Person, die den Job an Deiner Stelle erledigt, vermutlich weniger oder gar nicht effektiv spenden.
Die Strategie Earning to give wird häufig mit Leuten in Verbindung gebracht, die große Summen verdienen, zum Beispiel im IT-Bereich. Wer entsprechende Fähigkeiten besitzt und gerne einen solchen Beruf ausübt, kann auf diese Weise tatsächlich sehr viel spenden und Gutes bewirken. Das bedeutet aber nicht, dass es nur dann sinnvoll ist, Deinen Lohn zu teilen, wenn dieser überdurchschnittlich hoch ist. Nahezu jede Person in Deutschland, die einer halbwegs gut bezahlten Arbeit nachgeht, kann mit Spenden viel bewirken.
Eine Grundschullehrer:in in Berlin verdient beispielsweise direkt nach ihrem Berufseinstieg bereits deutlich mehr als 5.000 Euro brutto im Monat. Spendet sie zehn Prozent ihres Gehalts, sind das im Jahr über 6.000 Euro: eine Summe, mit der man nach Schätzungen führender Forschungseinrichtungen etwa zwei Menschen in extrem armen Ländern das Leben retten oder Tausende Tiere vor der Massentierhaltung bewahren kann.
Ein Vorteil dieser Strategie ist auch, dass Geldspenden sehr flexibel sind: Wenn sich durch neue Forschungsergebnisse zeigt, dass andere Problembereiche wichtiger sind als die, die man aktuell für am drängendsten hält, kann man einfach das Spendenziel ändern. Wer hingegen direkt an einem Problembereich arbeitet, kann seine Arbeit in der Regel nicht so leicht ändern. Dies ist häufig mit Kosten verbunden, zum Beispiel für die Einarbeitung in ein neues Berufsfeld.
Die Strategie Earning to give ist vielen Leuten nicht bekannt und wird daher oft gar nicht in Erwägung gezogen. Weil sie keine spezifischen Fähigkeiten verlangt, ist sie prinzipiell für viele Menschen eine Option.
Finde einen wirkungsvollen Beruf, der zu Dir passt
Du entscheidest Dich dafür, Deinen Lohn zu teilen? Dann lohnt es sich, bei der Berufswahl folgende Aspekte zu bedenken:
1. Dein Einkommen ist wichtig – aber nicht alles
Je mehr Du verdienst, desto mehr kannst Du spenden. Jedoch sollte das Gehalt nicht der einzige Faktor bei der Auswahl eines Berufs sein.
2. Investiere in dein Karrierekapital
Gerade zu Beginn des Berufslebens kann es klug sein, Jobs anzunehmen, in denen Du wichtige Erfahrungen sammelst und Kontakte knüpfst. Dies ermöglicht Dir eventuell einen Aufstieg in Positionen, in denen Du noch besser bezahlt wirst oder in denen Du auf andere Weise etwas Gutes bewirken kannst. Du willst später Deinen Beruf wechseln und direkt für eine NGO arbeiten? Dann lohnt es sich, vorher noch wichtige Fähigkeiten für diesen Bereich zu erwerben. Eine langfristige Karriereplanung ist zwar mit vielen Unsicherheiten behaftet, doch sie ist unerlässlich, um abzuschätzen, in welchem Beruf Du am Ende am meisten bewirkst.
3. Finde einen Beruf, an dem Du lange Freude hast
Gibst Du Deinen Job nach wenigen Jahren wieder auf, weil er Dich unglücklich macht schmälert das auch Deine Wirkung. Ein Wechsel zwischen sehr unterschiedlichen Berufen ist nämlich häufig mit Kosten verbunden, zum Beispiel weil Du eine weitere Ausbildung brauchst.
4. Pflege dein Alturist:innen-Dasein
Wenn Du in einem Umfeld arbeitest, in dem die Lösung drängender globaler Probleme keine oder kaum eine Rolle spielt, könnte Deine altruistische Motivation nachlassen. Um dem vorzubeugen, kannst Du Dich regelmäßig mit anderen Effektiven Altruist:innen treffen und austauschen oder zum Beispiel eine Selbstverpflichtung zum regelmäßigen Spenden abgeben.
5. Mobilisiere dein Arbeitsumfeld
Falls Du in Deinem Arbeitsumfeld andere Menschen für die Ideen des Effektiven Altruismus begeisterst und sie ebenfalls effektiv spenden oder anders aktiv werden, hast Du Deine Wirkung erhöht, ohne selbst mehr zu spenden.
6. Minimiere dein Schadenspotenzial
In manchen Berufen wird direkter Schaden in der Welt angerichtet. Wenn Du dort deutlich mehr Geld verdienst und spendest, kann der Effekt unterm Strich positiv sein. Trotzdem sind Berufe ohne solches Schadenspotenzial vorzuziehen, zumal es viele Jobs gibt, die Gutes bewirken oder zumindest neutral sind.
Fazit
Earning to give oder Direktarbeit? Diese Entscheidung kann schwierig sein. Auf den ersten Blick wirkt Direktarbeit auf viele Menschen attraktiver – doch es ist genauso wichtig für diese Arbeit die nötigen Ressourcen zu schaffen. Am Ende kommt es auf Deine Fähigkeiten, Erfahrungen und Interessen an – und darauf, in welchem Bereich Du einen Vorteil gegenüber anderen Altruist:innen hast, also wo Deine Arbeit besonders wertvoll ist.